Was versteht man unter Pflegebedürftigkeit?

Der Zeitpunkt, wann ein Mensch pflegebedürftig ist, wird im Alltag sehr individuell beurteilt. Schließlich kann schon eine Grippeerkrankung zu einem Pflegebedarf führen. Deshalb hat der Gesetzgeber den Begriff der Pflegebedürftigkeit im Pflegeversicherungsgesetz SGB XI definiert. Es definiert, ob Leistungen aus der Pflegekasse bezogen werden können. Mit der Reform der Pflegeversicherung 2018 wurde der gesetzliche Begriff der Pflegebedürftigkeit nochmals erweitert.

 

Pflegebedürftigkeit ist also ein Begriff, den jeder Mensch kennt, aber unterschiedlich versteht/interpretiert. Letztlich ist jeder pflegebedürftig, der allein nicht mehr in der Lage ist, sich zu versorgen und zu pflegen. Dies beginnt beim Aufstehen aus dem Bett und reicht bis hin zu alltäglichen Verrichtungen wie dem Lebensmitteleinkauf. Die gesetzliche Definition findet sich in §4 des XI. Sozialgesetzbuchs SGBXI:

 

„Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.“

 

Zusammengefasst bestehen somit folgende Voraussetzungen:

  • Die Pflegebedürftigkeit ist ein Dauerzustand, der mindestens ein halbes Jahr anhalten muss.
  • Eine nach dem Gesetz pflegebedürftige Person ist gesundheitlich bedingt in ihrer Selbständigkeit eingeschränkt.
  • Die Person kann psychische oder körperliche Krankheiten und die damit verbundenen Belastungen nicht selbst bewältigen und benötigt dafür Hilfe.

 

Die gesetzliche Definition der Pflegebedürftigkeit zu verstehen ist wichtig, da sie die Grundlage für den Bezug von Leistungen aus der Pflegeversicherung darstellt.

 

Pflegebegutachtung

Im Rahmen der Umsetzung des II. und III. Pflegestärkungsgesetzes wurde der Begriff der Pflegebedürftigkeit ausgeweitet. So werden im Rahmen der neuen Pflegegrade Demenzkranke sowie weitere psychische Krankheiten stärker berücksichtigt. Die Erfassung des Pflegegrades erfolgt nach wie vor über die Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Die Mitarbeiter prüfen jedoch insbesondere, wie selbständig eine Person ist. Die Einstufung erfolgt im Rahmen eines Punktesystems, das folgende Bereiche umfasst:

 

Mobilität

Wie selbständig kann sich ein Mensch bewegen?

 

Verhaltensweisen und psychische Problemlagen

Wie stark beeinflussen psychische Probleme die Selbständigkeit des Menschen?

 

Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

Wie kann ein Mensch sich zeitlich und örtlich orientieren und mit seinem Umfeld in Kontakt treten, um eigene Bedürfnisse zu äußern?

 

Selbstversorgung

In welchem Ausmaß ist ein Mensch in der Lage, sich ohne fremde Hilfe zu versorgen?

 

Bewältigung mit krankheits- und therapiebedingten Belastungen

Wie viel Unterstützung benötigt ein Mensch bei der Behandlung seiner Symptome oder bei Therapien?

 

Alltagsleben und soziale Kontakte

Wie selbständig ist der Mensch bei der Gestaltung seines Tagesablaufs und der Pflege sozialer Kontakte?

 

Feststellung der Pflegebedürftigkeit

Der Grad der Pflegebedürftigkeit wird bei gesetzlich Versicherten über den Medizinischen Dienst der Krankenkassen und bei privat Versicherten über Mitarbeiter von Medicproof festgestellt. Anhand von sechs verschiedenen Bereichen wird der Umfang der Selbständigkeit des Menschen ermittelt.

 

Hilfestellung gibt dabei das sogenannte „Neue Begutachtungsassessment“, kurz NBA. Dabei handelt es sich um eine Punkteskala von 0 bis 100. Einzelne Korridore zwischen diesen Punkten werden je einem Pflegegrad zugeteilt. Die Pflegebedürftigkeit beginnt nach dieser Einstufung ab einem Punktewert von 12,5. Er entspricht dem Pflegegrad 1. Liegt der Wert unter 12,5 Punkten, liegt gemäß gesetzlicher Definition also keine Pflegebedürftigkeit vor. Damit besteht auch kein Leistungsanspruch aus der Pflegeversicherung.